Freitag, 26. August 2011

Nachtrag zum 24.8.1011

Tornado fegt über Hessen







Abgedeckte Dächer, zerstörte Autos, umgeknickte Ampeln - ein Tornado ist am Montagabend über die Mitte und den Osten Hessens gefegt und hat Schäden in Millionenhöhe angerichtet. Innenminister Bouffier informierte sich am Vormittag vor Ort und sagte den Betroffenen Hilfe zu.
Schlüchtern/Grünberg –  
Ein Tornado ist am Montagabend über die Mitte und den Osten Hessens gefegt und hat für Schäden in Millionenhöhe gesorgt. In Lumda im Landkreis Gießen wurden zehn Gebäude komplett abgedeckt und 44 weitere Häuser oder Scheunen beschädigt, wie die Polizei gestern mitteilte. Auch im rund 70 Kilometer entfernten Schlüchtern hatte der Tornado gewütet. Er hob zahlreiche Dächer ab und kippte Container um. „Der Tornado hat eine Schneise durch die ganze Stadt geschlagen“, sagte ein Sprecher der Feuerwehr. Es habe 25 Einsätze gegeben. In den übrigen Teilen Hessens blieb es bei starkem Regen und einzelnen Gewittern.
Auch die Feuerwehr in Schlüchtern selbst war betroffen: Das Dach des Gerätehauses wurde beschädigt. Zudem wurde der Funkmast zerstört. „Wir kamen gerade von einem Kellerbrand und wurden bei der Rückkehr überrascht“, berichtete der Sprecher. Die Schadenssumme bewegt sich im Gebiet der osthessischen Stadt nach seinen Angaben im Millionenbereich. Etwa 250 Kräfte von Feuerwehr, Technischen Hilfswerk und Rettungsdiensten waren bis nach Mitternacht im Einsatz. Menschen wurden nicht verletzt.

Auch in Lumda, einem Ortsteil der Stadt Grünberg, kamen keine Personen zu Schaden. Den Schaden schätzte die Polizei in Gießen zunächst auf mehrere Hunderttausend Euro. „Der komplette Ort wurde verwüstet“, sagte ein Beamter. Neben zehn vollständig abgedeckten Gebäuden entstanden kurz nach 18 Uhr an 14 Häusern oder Scheunen größere Dachschäden. 30 weitere Gebäude wurden beschädigt.
Dem Lagezentrum des Innenministeriums in Wiesbaden lagen am Dienstagmorgen keine weitere Meldungen über Tornado- Schäden in Hessen vor. Die Polizei in Fulda berichtete von einigen vollgelaufenen Kellern und starkem Regen. Es habe ein stärkeres Gewitter, jedoch keinerlei Sturmschäden gegeben. In Südhessen wurden durch heftige Regenfälle einige Gullydeckel hochgedrückt. Im Vogelsberg fielen nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes innerhalb kurzer Zeit 36 Liter Regen pro Quadratmeter, auf dem Feldberg im Taunus 34 Liter, in Gießen 13 Liter. Auch in Nordhessen regnete es viel und stark, von Schäden berichtete die Polizei in Kassel am Dienstag aber nicht.

Danke an den Youtube Kollegen !


Im Auge des Wirbelwinds

Kaum drei Minuten dauert das Chaos, dann ist der Tornado genauso plötzlich weg, wie er gekommen ist. Er hinterlässt eine Schneise der Verwüstung, rechts und links davon ist nicht mal ein Blümchen geknickt.
Vor der ramponierten Stützpunktfeuerwache in Schlüchtern diskutieren die Einsatzkräfte, wie lange das Katastrophenszenario wohl gedauert haben mag. Zwischen 30 Sekunden und drei Minuten variieren die Schätzungen. Einig sind sie sich alle darin, „so etwas noch nicht erlebt zu haben“, wie es der stellvertretende Stadtbrandinspektor Werner Kress formuliert.
Schlüchterns Feuerwehr im Auge des Tornados: Es ist gegen 19.35 Uhr, als sich die Unwetterfront am Montag von Westen auf die ehemalige Kreisstadt zubewegt. In Hanau oder Gelnhausen hat die Gewitterfront zumeist nur ein paar Keller unter Wasser gesetzt. Eine generelle Unwetterwarnung gibt es nicht. Am 100 Meter entfernten Sportplatz beobachten die Fußballer der SG Schlüchtern derweil einen „Schlauch“ am Himmel, brechen das Training ab und flüchten in die Umkleide.
Ein Teil der Wehr ist da gerade auf dem Rückweg von einem Einsatz im Gewebegebiet: In einer Schreinerei hatte ein falsch bedienter Brennkessel Rauchalarm verursacht. Am Stadteingang pustet der Wind die ersten Bäume um, eine ältere Frau klammert sich an einer Ampel fest. Die Männer ziehen sie ins Löschfahrzeug.
Derweil bricht um die Feuerwehrzentrale Chaos aus. Pressesprecher Axel Ruppert verspürt einen Sog. Gruppenführer Rolf Liebig lässt gerade die vier geöffneten Tore herunter. Eine Druckwelle baut sich auf. Fenster fliegen zu. Durch eine Scheibe schießt ein Dachziegel durch den Raum. Vier Einsatzkräfte retten sich in den Nachbarraum. Es folgt ein Getöse. Sekunden später ist ein Teil des Daches abgedeckt, und die Ziegel prasseln auf den Vorplatz, wo die Feuerwehrleute Privatfahrzeuge geparkt haben.
„Die Scheibe vor mir hat sich gebogen“, erzählt Liebig und beobachtet, wie eine 25 Meter hohe Platane von der Windhose niedergedrückt wird – und bricht. Dann ist die Funkverbindung tot. Auch der Mast auf der Stützpunktfeuerwache ist auf eine Länge von acht Metern wie ein Streichholz abgeknickt.
Minuten später hat sich der Tornado weiter östlich über dem Stadtteil Herolz quasi wieder in Luft aufgelöst. Für die Feuerwehren aus den umliegenden zwölf Stadtteilen beginnt eine fünfstündige Sonderschicht. 250 Helfer – vom THW aus den Nachbarstädten Steinau und Bad Orb sowie vom DRK und Malteser – sind bis gegen 1.30 Uhr im Einsatz, um eine schmale Schneise der Verwüstung wieder passierbar zu machen. Etwa 400 Meter lang und 50 Meter breit ist der Streifen, auf dem sich der Tornado ausgetobt hat, schätzen die Helfer.
„Es grenzt an ein Wunder, dass niemand verletzt wurde“, bilanziert Einsatzleiter Kress am Dienstagvormittag. Überall sind Aufräumarbeiten im Gange. 28 Autos auf dem Parkplatz weisen schwere Blechschäden auf. Überall schimmern kleine Glaskristalle geborstener Scheiben.
50 Dächer sind nach ersten Schätzungen zerstört. Mal sind nur ein paar Ziegel verschoben, an anderer Stelle klaffen Löcher von mehreren Metern Durchmesser. Entlang der Kinzig und in Gärten sind Dutzende von Bäumen entwurzelt. In der alten Bahnhofstraße hat plötzlich „das ganze Haus gewackelt“, schildert Ines Philippi, die im Hof aufräumt. Während es im Garten wie nach dem Orkan Kyrill aussieht, hat das Haus praktisch keinen Kratzer abgekommen. Ähnlich zeigt sich das Phänomen andernorts. Einem Getränkehändler hat es das Dach schwer zerzaust, während gegenüber in einem Rosengarten nicht eine Blume abgeknickt ist. Gegenüber der Feuerwehr am Untertor hat es der Eisdiele nicht einen Schirm weggeweht. Auf dem Sportplatz hat es das Aluminiumgestell der Wurfanlage umgedrückt und die zentnerschwere Hochsprungmatte fortgeweht.
„Wenn die Welt mal kurz untergeht“, titeln die örtlichen „Kinzigtal-Nachrichten“ am Dienstag über die ersten Unwetterausläufer. Doch die 17500-Einwohner-Stadt im Dreieck von Spessart, Rhön und Vogelsberg, auch Bergwinkel genannt, ist mit einem blauen Auge davon gekommen.
Schätzungen über die Schadenshöhe schwanken von mehreren Hunderttausend bis zu einigen Millionen Euro. Die ersten Dächer sind schnell repariert. Auch die Feuerwehr hat es eilig. „Am Wochenende ist Tag der offenen Tür, da soll alles wieder in Ordnung sein“, sagen Innenstadt-Wehrführer Jens Orth und Vorgänger Heinz-Jürgen Jost. „Die Fahrzeugflotte, die den Brandschutz von Bad Soden-Salmünster bis Sinntal sicherstellen soll, ist unversehrt“, freut sich Gerätewart Winfried Mörscheid.
Derweil rätseln vom Tornado Betroffene, was die Versicherung bezahlt. Der Kontakt fällt nicht leicht. „Die haben noch mit dem Neißehochwasser zu tun“, berichtet ein junger Mann. Eine Nachbarin am Gartenzaun hat ein anders Problem. „Wohin mit den ganzen kaputten Dachziegeln?“, fragt sie.

Tornado in Hessen

StepMapTornado in Hessen




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen